Schädlingsbekämpfung - Geschichte und Tradition

"Der Rattenfänger vom Magdalenengrund"
(Marmorgravur am Opernring)

Hätte man im Altertum, im Mittelalter und auch in der Neuzeit gewusst, dass z.B. die Fleckfieber-Epidemien durch Läuse, die Pestepidemien durch Rattenflöhe, die Malaria durch Anophelesmücken oder das Gelbfieber durch Stechmücken verursacht werden, hätte man die Bekämpfung dieser Schädlinge sicher im größten Umfang durchgeführt.

Man kennt wohl die Gesundheitsschädlinge seit einigen tausend Jahren, was durch Aufzeichnungen und Abbildungen von Fliegen und einer Reihe anderer Schädlinge aus den Jahren 4000 v. Chr. aus dem Gebiet von Euphrat und Tigris überliefert worden ist.

Seit die Menschen begonnen haben, ihre Vorräte zu speichern, um dadurch mit ihrer Nahrung vom Wechsel der Jahreszeiten unabhängig zu werden und in festen Wohnsitzen leben zu können, haben sie sicher schon zu dieser Zeit gegen die auftretenden Schädlinge wirksame Maßnahmen ergriffen.

Der griechische Dichter HOMER (um 880 v. Chr.) berichtet in seinen Gesängen von Stuben- und Stechfliegen und PYTHAGORAS ließ um 450 v. Chr. auf Sizilien Sümpfe entwässern, um die Mückenplage zu bekämpfen.
Aus dem alten Ägypten wurden z.B. um 1550 v. Chr. Hausmittel gegen Flöhe überliefert und in der Bibel wird um 1000 v. Chr. bereits das Mückennetz erwähnt.
Es könnten noch viele Beispiele angeführt werden, aus denen ersichtlich ist, dass Schädlinge durch alle Jahrhunderte bis in die Neuzeit Plagegeister für die Menschen waren und auch in der wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung der Völker eine entscheidende Rolle gespielt haben.


Bekannt ist, dass im alten römischen und griechischen Reich die Bekämpfung von Ratten und Mäusen von dazu ausgebildeten Sklaven mit Fallen und durch Erschlagen vorgenommen wurde, aber die Bekämpfung diente nur dem Schutz der Vorräte und  nicht der Bekämpfung gegen Seuchen.
Diese Sklaven könnten als die ersten Kammerjäger angesehen werden, da sich ihre Tätigkeit auch auf die Bekämpfung von Wohnungsschädlingen erstreckte.


An eine aus gesundheitlichen Gründen zielbewusste Ratten- und Mäusebekämpfung dachte man erst im Hochmittelalter (12. und 13. Jhd.).
Da diese Nagetiere im Mittelalter, vor allem im 12. – 15.Jahrhundert, wegen der unhygienischen Verhältnisse in den Städten und Dörfern eine große Plage bildeten, was verständlich war, da man die Abwässer aus den Häusern in offene Gossen ableitete und die Abfälle auf die Straße warf, wo wieder die Haustiere frei herumliefen, wurden der Mäusemann und der Rattenfänger zur Bekämpfung eingesetzt, die ihr Fach mit Überlegenheit beherrschten und sicher scharfsinnige Kenner des Tierlebens waren.

In dieser Zeit entstand auch die auf der ganzen Welt bekannte Sage Der Rattenfänger von Hameln.
Sie berichtet über den Auszug von 130 Kindern aus Hameln, am Johannistag, dem 26.6.1284, und ist in keiner Weise historisch belegt. Es muss aber damals ein großes, herausragendes Unglück oder Ereignis eingetreten sein, das eine so starke Aussagekraft über Jahrhunderte behalten konnte.
Erst um 1430 wurde in einer alten Handschrift der „CATENA AUREA“ von fremder Hand nachträglich eine kurze Notiz über den Auszug der Kinder angebracht. Der Rattenfängerteil wurde noch später, 1556, hinzugefügt, so dass erst dadurch die Sage zu der wurde, die wir heute kennen.


Die fast gleichlautenden Sagen in anderen Ländern, wie z.B. in Österreich Der Rattenfänger von Korneuburg oder Der Rattenfänger vom Magdalenengrund in Wien, sind der Sage aus Hameln nachgebildet.

In der damaligen Zeit litten besonders die Spitäler unter der Rattenplage, da diese meistens an oder über einem wasserführenden Gerinne gebaut waren, um die Müll- und Fäkalienabfuhr zu erleichtern. Deshalb bekam der Rattenfänger einen Dauerauftrag für die Bekämpfung der Ratten, was in den Akten von St. Georg in Leipzig niedergeschrieben ist:
„Er erhält eine Jahresbestallung in Höhe von 2 fl. (Florin, Gulden) um er ein Jahr im Hospital die Ratten gefangen“

Als Angehörige der Rattenfängerzunft trugen sie einen roten Mantel und eine Hahnenfeder am Hut.
Welche Mittel der „Rattengiftverkäufer“ angeboten hat, wie ihm Rembrandt in einem Gemälde festgehalten hat, ist unbekannt. Sicher waren es nicht nur Fallen, denn damals waren schon Mittel und Verfahren zur Bekämpfung von Insekten, die als gesundheitsschädlich angesehen wurden, aus kulturell hoch stehenden arabischen Ländern in Europa bekannt geworden.


Bereits im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts hatte sich schon die Notwendigkeit einer gezielten Bekämpfung nicht nur von Ratten und Mäusen, sondern auch von anderen tierischen Schädlingen, also von Ungeziefer, gezeigt.
Aus dem mittelalterlichen „Mäusemann“ und „Rattenfänger“ entstand nun der Kammerjäger, der auch die Bekämpfung von Wohnungsungeziefer ausführte.

Die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Schädlingsbekämpfung wurden geschaffen, als zu Beginn des 19. Jahrhunderts Justus v. Liebig zum Lehrmeister für die chemische Industrie wurde, als Brandt und Ratzeburg 1833 ihre „Medizinische Zoologie“ schrieben und die Franzosen Prevost und Robertson in Kupfer- und Schwefelpräparaten die ersten wirksamen Mittel fanden.

Vor allem wurden mit dem Erstarken der chemischen Industrie nach dem Krieg 1870/71 immer mehr brauchbare Präparate für eine erfolgreiche Schädlingsbekämpfung entwickelt.

In diese Zeit fiel dann zwangsläufig auch die Entstehung eines weiteren Arbeitsgebietes der Schädlingsbekämpfung, das des Pflanzenschutzes. Er wurde aber vorerst, wenn überhaupt, nur von Landwirten und Gärtnern durchgeführt, weil man die große Bedeutung des Pflanzenschutzes für die Volkswirtschaft noch nicht erkannte.
Aber schon um die Jahrhundertwende waren die ersten Ansätze zur Schaffung eines geordneten Pflanzenschutzes bemerkbar. Man erkannte während des 1. Weltkrieges, wie wichtig der Schutz der Ernten und Vorräte ist und wie durch planmäßige Bekämpfungsmaßnahmen die Ernten gesichert und erfolgreicher werden konnten.


Auch die Bekämpfung von Körperungeziefer war in seuchenhygienischer Bedeutung voll erkannt worden und der Kampf gegen das Wohnungsungeziefer wurde intensiviert. Jetzt wurde aus dem „Rattenfänger“ endgültig der „Kammerjäger“ und es entstanden die ersten sesshaften Betriebe.

Um die Jahrhundertwende entwickelten sich schon berufliche Zusammenschlüsse auf  örtlicher Ebene und der Wunsch nach engerer Zusammenarbeit führte dann dazu, dass sich aus bestehenden Vereinen Innungen und Berufsorganisationen bildeten, die im Bestreben, das Ansehen des Berufes zu heben und die Leistungen ihrer Mitglieder zu fördern und zu verbessern, Ausbildungs- und Fortbildungskurse unter Mitwirkung von Wissenschaftlern durchführten.

Prof. WILHELMI brachte 1928 in einem Vortrag auf dem Naturforscher- und Ärztetag in Hamburg zum Ausdruck, dass die Konzessionierung des Kammerjägerberufes notwendig sei und er bezeichnete die Ausübenden dieses Berufes wahrscheinlich erstmalig als SCHÄDLINGSBEKÄMPFER.Es dauerte allerdings noch sehr lange, bis sich diese Berufsbezeichnung durchsetzen konnte.

Seit ca. 1939 ist aber der Beruf „Schädlingsbekämpfer“ endgültig allgemein bekannt und gebräuchlich geworden, da damit die Tätigkeit des Berufes klar zum Ausdruck kommt.

In Österreich ist die Schädlingsbekämpfung ein Gewerbe mit Tradition. War es viele Jahrzehnte ein so genanntes konzessioniertes Gewerbe, ist die Schädlingsbekämpfung seit 1994 ein Handwerk mit Meisterprüfung. Seit 2002 gibt es überdies einen Lehrberuf der Schädlingsbekämpfung, welcher es aber auch im zweiten Bildungsweg ermöglicht, Facharbeiter auszubilden.

(Quelle: http://www.schaedlingsbekaempfung.or.at/)